GERNSHEIM (bg). Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft benannten die Vizepräsidenten des hessischen Bauernverbandes. In der Versammlung des Regionalbauernverbandes Starkenburg ging es um die Zukunft der Landwirtschaft.
Die erheblichen Flächenverluste für die Landwirtschaft beklagte Karsten Schmal in der Regionalversammlung Ried, Rhein, Main, Neckar des Regionalbauernverbandes (RBV) Starkenburg. Stand bei einer Weltbevölkerung im Jahr 1970 von 3,7 Milliarden pro Kopf noch eine Ackerfläche von 3 800 qm zur Verfügung, werde für das Jahr 2050 ein Rückgang auf 1 500 qm bei einer Bevölkerung von 9,5 Milliarden erwartet.
Diesen Landfraß zählte der Vizepräsident des hessischen Bauernverbandes zu den größten Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft. Weitere Stichworte Schmals waren der Bürokratieabbau, die EU-Agrarreform oder etwa die Dünge-Verordnung. Die „Transparenz-Verordnung“ der EU nannte Schmal eine „Sauerei“, weil nur die Landwirtschaft alles offenlegen müsse. Und: „Die Debatte um das Tierwohl geht nicht an uns vorbei.“
Der oft besprochene Strukturwandel in der Landwirtschaft gehe weiter, wenn auch die Entwicklung langsamer werde. Dazu gab es weitere Angaben: Die Zahl der Milchviehhalter in Deutschland sank von 196 000 in 1995 auf nur noch 78 000 in 2014, diejenige der Schweinehalter von 192 000 (1997) auf 27 000 (2014).
Um diesen Herausforderungen gewachsen zu sein, braucht es nach Ansicht Schmals, der einen Futterbaubetrieb mit 165 Milchkühen und 145 Hektarn landwirtschaftlicher Fläche bewirtschaftet, einer Strukturreform im Hessischen Bauernverband. Der RBV (fünf Landkreise und zwei kreisfreie Städte) habe für Hessen Vorbildfunktion, sagte der designierte Nachfolger von Friedhelm Schneider als Präsident des hessischen Bauernverbandes.
Er beklagte zugleich, dass viele junge Landwirte Einzelkämpfer seien. Dabei sei das ehrenamtliche Engagement in der Verbandsarbeit so wichtig: „Wenn wir bei verschiedenen Themen, wie gerade bei der ‚ungesunden Wirst‘, in der Ecke stehen, ist das für die Bauern unerträglich.“ Schmal nannte Ziele: Gutes beibehalten, Neues hinzufügen, Netzwerke ausbauen, Kommunikation stärken, Diskussion mit Kritikern suchen.
Dieses Thema hatte auch RBV-Vorsitzender Willi Billau aufgegriffen. Der promovierte Agraringenieur forderte dazu auf, sich mit den Kritikern auseinander zu setzen. So habe man beispielsweise eine gemeinsame Position mit der Umweltministerin und dem BUND in Sachen Vermeidung von Flächenverbrauch gefunden.
Bei der Zusammenkunft in der Stadthalle erhob auch Vizepräsident Thomas Kunz
zentrale Forderungen. So müsse die Politik für die Landwirtschaft eine Freistellung von der Grunderwerbssteuer umsetzen. in Sachen Flächenverbrauch forderte er eine „Waffengleichheit“ mit dem Forst und dem Naturschutz: „Es gibt leider kein Landwirtschafts-Schutzgesetz.“
Kunz kritisierte eine ausufernde Bürokratie: „Warum muss jede Bewegung eines Tieres notiert werden, wen interessiert das?“ In der nachfolgenden Diskussion attestierte er: „Es wird immer schwieriger, die Leute davon zu überzeugen, was du als Bauer machst.“ Dazu passte die in den Raum geworfene Frage eines Teilnehmers: „Wer weiß denn noch, dass eine Kuh erst gekalbt haben muss, um Milch zu geben?“
Kunz, der einen Ackerbaubetrieb mit Schweinehaltung und Direktvermarktung mit eigener Hofmetzgerei bewirtschaftet, soll erster Stellvertreter des Präsidenten werden. Die Personalentscheidungen werden am 4. Dezember getroffen. Insofern diente die Anwesenheit der beiden Vizepräsidenten auch als „Vorstellungsrunde“ bei den Bauern in Starkenburg.