Klimawandel und Landwirtschaft
Die Landwirtschaft war schon immer unterschiedlichen Wetterlagen ausgesetzt: schon seit Urzeiten spricht man von Dürrejahren, nassen, verregneten Sommern, Spätfrösten im Frühjahr. Auch die kleine Eiszeit mit dem Jahr ohne Sommer (1816, 1257) hat es gegeben. Das alles hat seine Ursache in extremen Wetterlagen oft verursacht durch Vulkanausbrüche, die die Atmosphäre verdunkelten. Solche Wetterlagen werden uns auch in Zukunft heimsuchen, die Frage ist, ob sie öfter werden, nicht weil das Wetter verrücktspielt, sondern weil sich das Klima wandelt. Ursache können bestimmte astronomische Konstellationen sein, so wie in der Vergangenheit bei der Eiszeit oder historischen Warmzeiten. Heute wird die CO2-Konzentration der Luft als zusätzlicher Beschleuniger des Klimawandels angesehen. Gerade die gehäuften Trockenjahre in letzter Zeit verdichten die Verstärkung der Erwärmung, sofern der Mensch nicht intensiv dagegen steuert.
Pflanze und Tier sind seit historischer Zeit mit dem Problem des Klimawandels konfrontiert. Sie haben zwei Möglichkeiten: bleiben und sich an die sich verändernden Umweltbedingungen anpassen oder migrieren. Laut dem Gesetz der relativen Standortkonstanz wandern sie so weit, bis sie an einem anderen Ort ihre gewohnten Standortbedingungen wiederfinden. Vor exakt demselben Problem stehen die Bauern: Darauf zu warten, bis sich das Klima wieder normalisiert, ist illusorisch. Niemand kann bis heute sagen, ob die eingeleiteten Maßnahmen greifen und wann sie greifen. Also hat der Landwirt die Möglichkeit seinen Betrieb zu verkaufen und gen Norden zu ziehen. Gerade in Kanada und Russland werden die größten Landmassen vom Permafrost befreit, das heißt auf beiden Kontinenten wandert die Vegetationsgrenze nordwärts. Diese Option dürfte nur wenigen Landwirten möglich sein. Ein Problem sind in dieser Region noch unentwickelte Böden, die keine ökonomisch sinnvolle Landwirtschaft zulassen. Die zweite Option ist die einzig mögliche: Anpassung an die neuen Verhältnisse. Dazu zählen dort, wo es von der Geologie her möglich ist, Ausbau der Beregnung. Wo nicht Auswahl trockenheitsresistenter Genotypen oder Anbau mediterraner Arten. Wassersparende Bodenbearbeitung und Trockenfeldbau bleiben in einigen Regionen als einzige Wahl. Moderne Züchtungsmethoden (CRISPR-CAS9) müssen schnell Lösungen bringen. Lösungen bezüglich der Anpassung der Kulturpflanze an das warme und sommertrockene Klima, Anpassung an die Schaderreger und Erfüllung der qualitativen und quantitativen Ansprüche der Verbraucher. Das wird ohne moderne Züchtungsmethoden zu lange dauern, so die Befürchtung der Züchter.
Schon jetzt reagieren die Landwirte versuchsweise: Vermehrt werden angebaut Durumweizen (mediterraner Hartweizen) für die Nudelproduktion, Hirsen und Sonnenblumen, die Süßkartoffel geht nur mit Beregnung. Mais ist an das warme Klima besonders angepasst, er braucht jedoch sehr viel Wasser. Spargel kommt übrigens aus dem mediterranen Raum, der Wein auch. Die Beregnung im Rheintal ist der „gamechanger“ der Anpassung an den Klimawandel. Das Rheintal in der Region Starkenburg versorgt die Metropolregionen Rhein-Main, Rhein-Neckar und zahlreiche ländliche Zentren, über 4 Mio Verbraucher*innen mit hochqualitativen Nahrungsmitteln aus der Region und reinem Trinkwasser. Das Rheintal hat eine sehr breite Palette von Böden. Da sind Ablagerungen des Rheingletschers nach der Eiszeit (Schmelzwassersande), da sind Ablagerungen aus den Überschwemmungen der Rheinmäander (mittlere bis schwere Auenböden, sogar windsortierte Ablagerungen (Lössböden) gibt es. Die letzteren haben die größte Wasserspeicherkapazität. Man wird auch auf den leichten Böden anfangen müssen mit Beregnung. Viele Kulturen erlauben es von der Kulturführung her, mit Tropfbewässerung zu arbeiten. Ansonsten sind Kreisregner verbreitet und bei sehr großen Flächen die Regenmaschinen. Wasser wird entweder mit Dieselpumpen aus Flachbrunnen genommen, vor allem im Ried. Dort steht das Grundwasser bei 2-4 m. Seit 40 Jahren gibt es auf 1/3 der Beregnungsfläche (5.600 ha) eine teilortsfeste Großraumberegnung mit zu Trinkwasser aufbereitetem Rheinwasser. Große Elektropumpen sorgen für Druck und Menge. Hauptaufgabe dieser Anlage ist die Infiltration von zu Trinkwasser aufbereitetem Rheinwasser in die Wälder zur Stabilisierung des Grundwasserspiegels (Grundwasserbewirtschaftungsplan) und zur Kompensation der Herausnahme der riesigen Trinkwassermengen für die Metropolen. Ein Ausbau dieser Anlage ist laut Machbarkeitsstudie an 3 Stellen im Ried möglich. Da durch den Klimawandel im Winterhalbjahr die Niederschläge sogar ansteigen dürften, werden diese im Rheingraben als mit sandigen Schmelzwassersedimenten angefüllte Tertiärsenke (seit 60 Mio Jahren, 300 km*30 km *3,5 km tief) bis zum Sommer gespeichert. Der Rheingraben ist somit ein riesiges Vorratsreservoir an Trinkwasser.
Ein Teil des Beregnungswassers trägt zur Grundwasserneubildung bei, vor allem wenn es nach der Beregnung regnet!
Der sommerliche Regenmangel ist nicht die einzige Herausforderung, welche sich den Landwirt*innen stellt:
In Starkenburg sind seit zwei Jahren aus dem Süden die Glasflügelzikaden eingefallen, die den Zuckerrüben- und Kartoffelanbau vor eine der größten Herausforderung der letzten Jahrzehnte stellen. Bei den Zuckerrüben sinken nach Befall die Zuckerwerte drastisch und die Rüben faulen, die Kartoffeln sind nicht mehr zu verarbeiten, verlieren Ertrag und werden welk. Hier müssen schnell Lösungen her, sonst können die Fabrikstandorte nicht mehr gehalten werden und zahlreiche Landwirte verlieren ihr Einkommen. Ebenso befällt die Kirschessigfliege rote Trauben, Kirschen und Beerenfrüchte und führt oft zum Totalausfall. Auch sie kommt aus dem Süden. Die weiße Fliege kommt ebenfalls aus tropisch/subtropischen Regionen. Zuerst war sie bei uns ein Gewächshausschädling, mittlerweile richtet sie im Freiland besonders bei Kohlgemüsen reichlichen Schaden an. Man nennt die tierischen Migranten Neozoen! Das im Sommer trockenere und wärmere Klima begünstigt das Auftreten von Insekten aller Art. Trockenjahre sind Insektenjahre. Von einem Insektenschwund wird keine Rede mehr sein. Zahlreiche angloamerikanische Untersuchungen, die das Klima als wesentlichen Faktor berücksichtigen, sind zum Schluss gekommen, dass die Netto-Bilanz der Biodiversität und Abundanz der Insekten in den letzten Jahrzehnten bei nahezu null lag. In den U.S.A. konnte kein generelles „Insektensterben“ nachgewiesen werden. Die Gewinner haben die Verlierer ausgeglichen. Sollten wir keine baldigen züchterischen Lösungen haben, werden wir um die Weiterentwicklung von Insektiziden nicht herumkommen. Es sind momentan neue Wirkstoffe in der Zulassungsphase mit einem völlig neuen Wirkungsmechanismus und einem sehr günstigen ökologischen Profil (Nützlingsschonung!).
Ein weiteres Problem sind die heißen Temperaturen im Oberboden. Bei Lufttemperaturen über 30 °C findet bei anfälligen Kulturen (Kartoffeln) fast keine Photosynthese mehr statt, sondern nur noch Lichtatmung (Photorespiration). Umso wichtiger ist auch die Kühlende Wirkung der Wassergaben sonst reagieren die Erträge drastisch!
Die Tierproduktion ist verbreitet auf dem Rückzug, was gerade für die biologische Produktion eine Herausforderung darstellt. Das zentrale Element der biologischen Landwirtschaft ist das Zusammenwirken von Pflanze, Boden und Tier. Durch die zunehmende Spezialisierung der Betriebe wird dieses Prinzip aufgebrochen und die Pflanzenernährung via tierische Ausscheidungen unmöglich. Bei wachsendem Verzicht von tierischen Nahrungsmitteln müssen die angebauten Nahrungspflanzen vollwertig sein, ohne Mängel!
Ein großes Problem ist der Flächenverbrauch der Metropolregionen. 56 ha/Tag sind es momentan, seit einigen Jahren hätten es maximal 30 sein müssen. Ziel ist netto-null-Neuversieglung. Eine Steigerung der Versieglung wertvoller Böden geschieht momentan durch Freiflächen-Photovoltaik. Die muss auf die Dächer. Nach Berechnungen des BUND gibt es ausreichend Fabrik- und Gewerbehallendächer, um die gewünschte Fotovoltaik Leistung unterzubringen.
Der Strukturwandel wird weitergehen, weil gerade die junge Generation rechnen gelernt hat und nicht mehr bereit ist, jedes Risiko (Witterung, Marktpreise, Mindestlöhne) einzugehen. Auch die extreme Arbeitsbelastung kann oft nicht an die Bedürfnisse junger Familien angepasst werden. Die Zahl der Großbetriebe nimmt weiter zu, die der mittleren und kleinen weiter ab. Die Realteilung in unserer Region, sowie die durch den Rhein verursachte Flusslandschaft mit Dämmen und Gräben und vielen Landschaftselementen führen dazu, dass die Produktionsflächen überschaubar groß bleiben, und die Biodiversität gesichert.