Ursachenforschung statt Sündenbockphilosophie:
Regionalbauernverband Starkenburg nimmt Stellung zum Artikel: “Hohe Nitratbelastung des Grundwassers beunruhigt Experten”:
Aufgrund umfangreicher eigener Messungen und Auswertung der Nitratwerte der Grundwasserdatenbank, rätseln selbst Experten, warum in intensiv bewirtschafteten Regionen mit zum Teil geringen Decklehmstärken und intensiver Beregnung, wie z.B. in Lampertheim, die Nitratgehalte der Beregnungsbrunnen sehr niedrig, d.h. zwischen 0 und 5 mg (jeweils pro Liter!), selten über 30 mg liegen. Während in Groß-Umstadt bei wesentlich extensiverer Bewirtschaftungsintensität, sehr guten Lössböden mit oft mehr als 10 m Mächtigkeit, seit Jahren die Werte bei 50 mg und darüber liegen. Interessanterweise weisen die Nachbargemarkungen, teilweise mit Sonderkulturen wieder nur Werte zwischen 0 und 15 mg auf. Im Bergsträßer Odenwald gibt es eine Stelle mit Nitratwerten um die 100 mg, wo nur extensive Landwirtschaft betrieben wird, das heißt nur Heu geerntet wird, wo sich alle Fachleute einig sind, dass hier die Landwirtschaft nicht als Verursacher in Frage kommt.
In Lampertheim liegen beispielsweise sämtliche Messbrunnen über 50 mg in der Gemeinde oder am Stadtrand. Ein Messbrunnen im Feld weist allerdings 170 mg auf. Nach Recherchen liegt er unmittelbar an einer Kleindeponie (Bombentrichter aus dem 2. Weltkrieg), während 100 m weiter ein zweiter Messbrunnen an einem Spargelacker seit 30 Jahren bis heute 0 mg aufweist. Deshalb muss dringend Ursachenforschung betrieben werde. Es macht überhaupt keinen Sinn, wenn die Landwirtschaft in absolut unproblematischen Gemarkungen ihre erfolgreiche Bewirtschaftung einschränkt. Ebensowenig macht es Sinn, die Kooperation zwischen Landwirten und Wasserwirtschaft zu verurteilen, wenn die 50 mg in Groß-Umstadt geologisch/hydrogeologisch bedingt sind. Ebensowenig herrscht Klarheit darüber, ob sich Redoxäquivalente (Huminstoffe/Pyrit), welche das Nitrat im Boden abbauen, verbrauchen oder durch wechselnde Grundwasserstände wieder regenerieren.
In Hessen haben wir 42 % Waldfläche, 15,5 % Siedlungs- und Verkehrsfläche und 28 % Ackerfläche. Das heißt, wir haben schon halb so viele versiegelte Flächen mit teilweise maroden Kanalsystemen, wie Ackerflächen. Ergo muss Ursachenforschung betrieben werden, die Landwirte sind keine Sündenböcke, sie haben ihren Düngerverbrauch seit Jahren gesenkt und nicht mehr gesteigert. Bei vielen Kulturen (Zuckerrüben, Zwiebeln, Spargel, Erdbeeren) wurde die Düngung halbiert, was durch konsequente Beratung geschah. Heute arbeiten wir intensiv bei der Wasserrahmenrichtlinie mit, es werden unzählige Bodenproben zur Bedarfsanalyse im Frühjahr und zur Kontrolle im Herbst gezogen. Es werden vermehrt Zwischenfrüchte angebaut, es erfolgt eine intensive, einzelbetriebliche Beratung. Wir werden weiter umweltschonend Obst, Gemüse und Feldfrüchte in der Region für die Region erzeugen. Unsere Tierhaltung in Hessen mit nur 0,6 Großvieheinheiten zeugt von geringer Viehdichte, von welcher ebenfalls keine Gefahren ausgehen.
Dr. Willi Billau
Vorsitzender des Regionalbauernverbandes Starkenburg e.V.