TRAISA. Mit viel Spannung erwartet bei der Hauptversammlung des Regionalbauernverbands Starkenburg wurde der Vortrag von Dr. Roland Straub zur „Preispolitik der Europäischen Zentralbank. Straub ist Chefberater von Mario Draghi, dem Präsidenten der in Frankfurt ansässigen EZB.
Die Europäische Zentralbank ist keine „normale“ Bank, sondern hat das Mandat, im Euro-Raum für Preisstabilität sorgen, erklärte der Referent. Hierfür strebe sie mittelfristig eine Preissteigerungsrate von unter, aber nahe 2 % an. Und ging gleich auch auf die Frage ein, ob eine „Null-Prozent-Steigerungsrate“ nicht besser wäre. Nein, wusste er, denn wenn man weiß, dass die Preise bald wieder fallen, würde der Konsum verschoben. Die Nachfrage bleibe aus, die Wirtschaft bricht ein, die Arbeitsplätze geraten in Gefahr. Und es entsteht eine „negative Inflation“, also eine Deflation.
Die Zentralbank kann Einfluss nehmen auf die Nachfrage von Gütern und Arbeitskräften – und damit auf die Preisentwicklung – indem sie den sogenannten Leitzins erhöht oder senkt. Das ist der Zinssatz, zu dem sich die Kreditbanken bei ihr Geld leihen können und den sie in einem gewissen Umfang an ihre Kunden weitergeben. Denn wenn die Zinsen niedrig sind, ist es attraktiv, zu investieren, wenn sie jedoch hoch sind, ist es attraktiver, zu sparen.
Straub räumt ein, dass niedrige Zinsen für einen Sparer problematisch sind, gab aber zu bedenken, dass auch ein Sparer gleichzeitig ein „Unternehmer“, Häuslebauer, Konsument oder Investor sei, und damit von einer Wachstumsphase profitiere. Es sei kein Zufall, dass aufgrund der „lockeren Geldpolitik“ der EZB die Beschäftigungsquote in allen Euro-Ländern massiv gestiegen und Arbeitslosenrate gefallen sei. Auch Otto Normalverbraucher würde davon profitieren. Denn es helfe niemand, wenn ein Sparer hohe Zinsen bekommt, aber arbeitslos ist.
Auf die Frage, ob ein Rentner, der kein Unternehmer mehr sei und auch keine Lohnsteigerung erwarten könne, durch die Null-Prozent-Zinspolitik nicht doch massiv benachteiligt werde, erwiderte Straub, dass die meisten Rentner im staatlichen Rentensystem eingebunden seien. Und dort seien die Rentenkassen aufgrund der guten Konjunktur derzeit ebenfalls voll. Es habe auch schon Zeiten gegeben, zu denen unklar war, ob die Rente überhaupt noch sicher sei….
Foto:
Nr. 8659: Dr. Roland Straub bei seinem Vortrag im Rahmen der Offenen Vertreterversammlung des RBV Starkenburg. So ganz überzeugt wirken die Mitglieder des Vorstands (hier zu sehen von links Norbert Zöller, Dr. Willi Billau und Hans Trumpfheller) indes noch nicht.
Dr. Roland Straub ist 44 Jahre alt, Donauschwabe und stammt aus einer landwirtschaftlich geprägten Familie. Er hat in Frankfurt Volkswirtschaft studiert, in England und Italien und später beim Internationalen Währungsfond in Washington gearbeitet. Seit 10 Jahren ist er bei der EZB in Frankfurt Berater des Vorstands.
Text und Foto: Kirsten Sundermann